Agil durch den Sourcing-Dschungel

10 goldene Regeln für das Lieferantenmanagement

Dr. Ralph Köppen ist Partner bei der Information Services Group Germany (ISG).
Lieferantenmanagement im heutigen Sourcing-Geflecht braucht Governance. Vor allem auf die folgenden zehn Punkte kommt es dabei an.

Heutige Governance-Strukturen im Sourcing-Umfeld müssen vor allem zwei Fähigkeiten sicherstellen: die geschäftliche Agilität eines Unternehmens und dessen Fähigkeit, gezielte, faktenbasierte Entscheidungen zu treffen. Dazu müssen natürlich die entsprechenden Daten vorhanden sein.

Schriftlich fixierte Vereinbarungen zu Beginn ersparen oft Schwierigkeiten in der laufenden Kooperation.
Schriftlich fixierte Vereinbarungen zu Beginn ersparen oft Schwierigkeiten in der laufenden Kooperation.
Foto: fizkes - shutterstock.com

Zudem benötigen Unternehmen Informationen darüber, wie es um die „Gesundheit“ der einzelnen Lieferantenbeziehungen bestellt ist. Nicht zuletzt ist ein Unternehmen auf einen Überblick über den aktuellen Anbietermarkt und seine Struktur angewiesen, um Gelegenheiten für mögliches Neugeschäft schnell und sicher zu erkennen. Führende Unternehmen entwickeln daher interne, toolgestützte Lieferanten- Bewertungssysteme.

Aufwändig, aber lohnenswert

Um ein genaues Bild über die einzelnen Sourcing-Beziehungen, ihr jeweiliges Optimierungspotenzial und eine Lieferantenstrategie zu erhalten, muss ein Unternehmen die Daten aus seinem tagtäglichen Lieferantenmanagement mit den Daten seiner Branche, seines Geschäfts und des Anbietermarktes zusammenbringen.

Vor allem die Datenerfassung und -aufbereitung aus den komplexen Lieferantenbeziehungen benötigt zum Teil intensive manuelle Tätigkeiten und kann hohe Kosten verursachen. Auch deshalb investieren Unternehmen in der Regel nicht ausreichend in dieses Data Mining – und sind sich nicht bewusst, wieviel Mehrwert ihnen dadurch entgeht.

Lesetipp: In der Supply Chain steckt der Wurm

Neue technische Möglichkeiten vereinfachen ein durchgängiges digitales Lieferantenmanagement (Digital Supplier Management) durch die Integration von Automatisierungstechnologien (RPA), künstlicher Intelligenz, Analyse-/Reportingtools, digitaler Workflowunterstützung und zum Beispiel Risikomanagementtools in etablierte Best Practices.

Wer diesen Mehrwert sichern will, sollte einige Grundregeln beachten, die die folgende Checkliste zusammenfasst.

Stelle sicher, dass Verträge voll erfüllt werden

Viele Unternehmen sind sich nicht ausreichend bewusst, dass sie selbst aktiv sicherstellen müssen, dass ihre Lieferanten das Vereinbarte auch wirklich leisten. Ein Beispiel: Wenn ein Vertrag ausführt, dass der Lieferant jährlich ein Versicherungszertifikat nachweist, muss der Kunde jedes Jahr auch überprüfen, ob das Zertifikat vorliegt und dies entsprechend dokumentieren. Eine solche Kommunikation zwischen den beiden Vertragsparteien schafft Verlässlichkeit und schafft am Ende Vertrauen – das wichtigste Element einer nachhaltigen Partnerschaft.

Ermögliche den Wandel von Verträgen

Langfristige Partnerschaften benötigen Flexibilität und die Fähigkeit, sich auf neue Geschäftsanforderungen auszurichten. Deshalb benötigen Lieferantenverträge ein Change Management, das zum Beispiel regelt, wie Änderungen stattfinden: von Änderungsanträgen über Deadlines für die notwendigen Zustimmungen bis hin zum Umsetzen der Änderungen. Wenn beide Partner diesen Wandel nicht gestalten, erzielen sie beide auf lange Sicht weniger.

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Sprich Konflikte direkt an

In jeder Partnerschaft gibt es Konflikte. Eine gesunde Beziehung erkennt sie möglichst früh und spricht sie fair und konstruktiv an. Wenn ein Unternehmen solche Konflikte auf der jeweils geeigneten Ebene identifiziert, adressiert und löst, steigt die Transparenz der Zusammenarbeit enorm und die Kommunikation wird offener und direkter.

Miss die Service-Performance

Komplette und akkurate Informationen über die jeweilige Service-Performance eines Lieferanten sind das A und O, um diese Services fair beurteilen zu können und – falls nötig – Anpassungen vorzunehmen. Ohne eine sehr hohe Qualität der Performance-Daten lassen sich Entscheidungen nicht effektiv treffen. Zum Glück lässt sich die Erfassung und Darstellung von Performance-Daten mittlerweile gut automatisieren. Das macht aus einer Herkules-Aufgabe eine Routinetätigkeit.

Belohne gute Performance

Die (finanzielle) Belohnung guter Performance-Daten ist ein übliches Vorgehen, besonders leistungsfähige Lieferanten zusätzlich zu motivieren und die Erfahrung zeigt: Es funktioniert! Die Herausforderung dabei ist es, die Rabatte oder Bonuszahlungen in den Rechnungen klar und verständlich darzustellen. Sonst sind Verwirrung und mehrfaches Nachfragen vorprogrammiert.

Erstelle eine Governance-Bibliothek

Eine Governance-Bibliothek sollte Kommunikationen und andere Dokumente beinhalten, die während der Dauer eines Vertrags angefallen sind, zum Beispiel Meeting-Protokolle. Auf diese Weise verfügen die Vertragspartner über eine verlässliche Dokumentation, auf die sie sich etwa im Konfliktfall beziehen können. Vorbei ist damit die Zeit langwieriger Debatten, die auf falschen, schlecht erinnerten oder unvollständigen Informationen beruhen. Auch hier gilt: Nur wer ausreichend Transparenz schafft, kann faktenbasiert und schnell entscheiden.

Interpretiere Verträge mit Augenmaß

Es kommt immer wieder vor, dass Vertragspartner bestimmte Klauseln unterschiedlich auslegen und es so zu Missverständnissen kommt – besonders in den frühen Phasen einer Partnerschaft. Einfach auf seinem Standpunkt zu beharren, ist dabei fast nie zielführend. Abhilfe kann vielmehr eine unabhängige und von beiden Seiten anerkannte dritte Instanz schaffen. Ihre Beteiligung führt in der Regel dazu, dass Diskussionen kürzer ausfallen und schneller wieder Einigkeit herrscht.

Überprüfe Rechnungen systematisch und schnell

Service-Honorare sind oft sehr komplex gestaltet und deshalb anfällig für Fehler oder inakkurate Rechnungen. Deshalb benötigen Auftraggeber eine Prüfmethode, die sicherstellt, dass Kalkulationen und Rechnungen den im Vertrag festgelegten Regeln folgt. Dieser Abgleich sollte eventuelle Diskrepanzen möglichst schnell feststellen, sodass der Lieferant ebenso schnell von ihnen erfährt und sie korrigieren kann. Dieser Aspekt ist ein wesentlicher für eine reibungslos laufende Kunden-Lieferanten-Beziehung.

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Steuere die Governance-Aktionen

Die Sourcing-Governance stellt das Herz des Lieferanten-Beziehungsmanagements dar und die damit verbundenen Aktionen stellen notwendige Kurskorrekturen sicher. Eine proaktive gemeinsame Ausrichtung, Aufgabenverteilung und Kommunikation ist entscheidend, damit die Beziehung gesund bleibt und die Services hervorragend erbracht werden.

Schaffe ein eigenes Forum für Governance

Ein Governance-Forum kann die Richtlinien zur Verfügung stellen, die alle benötigen, um auf Kurs zu bleiben. Außerdem definiert es sowohl das Zuckerbrot als auch die Peitsche, die es braucht, um Innovationen zu fördern oder dass alle Beteiligten genug, doch nicht zu viel Zeit und Energie in bestimmte Aufgaben investieren. Vor allem aber sollte ein Governance-Forum in der Lage sein, allen Beteiligten das Lieferantenmanagement transparent und verständlich zu machen. Gelingt dies, steigt der Nutzen exponentiell an.

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