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Durchbruch für Zertifizierungen per Remote Audit?

Dakks forciert Fernbegutachtungen
Durchbruch für Zertifizierungen per Remote Audit?

Durchbruch für Zertifizierungen per Remote Audit?
Die Dakks erlaubt seit Anfang April remote durchgeführte Überwachungs- und Wiederholungsbegutachtungen durch Konformitätsbewertungsstellen Bild: ty/stock.adobe.com
Die Coronavirus-Pandemie beschleunigt die Digitalisierung im Qualitätsmanagement: Die Deutsche Akkreditierungsstelle (Dakks) hat Anfang April grünes Licht gegeben für die Fernbegutachtungen durch Konformitätsbewertungsstellen – zumindest für Überwachungs- und Wiederholungsbegutachtungen.

Und plötzlich ging alles sehr schnell: Bereits seit Jahren sind Remote Audits nach der Auditnorm ISO 19011 möglich. Doch Anwendung fanden sie in der Vergangenheit eher selten – auch wenn die Deutsche Gesellschaft zur Zertifizierung von Managementsystemen (DQS) in einer Umfrage Ende vergangenen Jahres eine gewisse Aufgeschlossenheit für diese Art der Auditierung auf Seiten von Unternehmen und Konformitätsbewertungsstellen festgestellt hat.

Doch nun wirkt die aktuelle Covid-19-Pandemie wie ein Katalysator für die digitale Form der Konformitätsbewertung – offiziell forciert durch die Dakks, die nationale deutsche Akkreditierungsstelle. Mitte März hat sie entschieden, dass aufgrund der Ansteckungsgefahr vorerst keine Vor-Ort-Begutachtungen mehr durchgeführt werden sollen – und schon am 1. April hat sie für Konformitätsbewertungsstellen einen Leitfaden für die flächenhafte Durchführung von Remote-Begutachtungen per etwa per Videokonferenz veröffentlicht. Mit diesem Schritt will die Dakks dabei helfen, dass Unternehmen die Fristen für die Begutachtungstermine hinsichtlich Managementnormen einhalten können und dass die bestehenden Akkreditierungen von Prüf- und Kalibrierlaboratorien auf Grundlage der DIN EN ISO/IEC 17025 ihre Gültigkeiten behalten.

Allerdings sind damit nun nicht Tür und Tor geöffnet für Fernaudits sämtlicher Art. Denn nach wie vor sind entsprechende Aussagen von zwei Regelwerken verbindlich: Neben der ISO 19011 ist dies die IAF MD 4 des International Accreditation Forums. Demnach können Erstbegutachtungen grundsätzlich nicht remote durchgeführt werden. Überwachungs- und Wiederholungsbegutachtungen sind aber sehr wohl auf digitalem Weg möglich – sofern die entsprechende Konformitätsbewertungsstelle über die notwendigen Kompetenzen verfügt und die Dakks davon überzeugt ist, dass alle relevanten Informationen – übersandte Unterlagen, Kenntnisse aus vorangegangenen Begutachtungen, aktueller Geltungsbereich, Geltungsbereich nach der Erweiterung – vorhanden sind, um Erweiterungsanträge aus der Ferne zu beurteilen.

Sonderlösung für Prüf- und Kalibrierlabore bei der Umstellung auf neue ISO/IEC 17025

Eine Sonderlösung wurde für Prüf- und Kalibrierlaboratorien gefunden, die nur noch bis 30. November 2020 Zeit haben, ihre Akkreditierung nach der revidierten Version der DIN EN ISO/IEC 17025 umzustellen: In Fällen, bei denen Dakks-Kunden die Umstellung beantragt haben und eine Vor-Ort-Begutachtung in Kombination von Überwachung und Umstellung geplant war, findet die Fernbegutachtung auf Basis der neuen Akkreditierungsnorm statt. Und falls zwischen Verfahrensmanager und Laboratorium eine sogenannte „reine Umstellungsbegutachtung“ vereinbart wurde, kann diese als reine Dokumentenprüfung durchgeführt werden.

Doch wie läuft nun ein solches Fernaudit in der Praxis ab? Was heißt das genau? „Im Audit kann man grob drei Haupttätigkeiten unterscheiden – Kommunikation, Dokumentenprüfung und Vor-Ort-Audit in der Realität“, erklärte Auditor Dr. Thomas Spielau kürzlich in einem Webinar von Klinkner & Partner, einem auf die Laborbranche spezialisierten Schulungs- und Beratungshaus. „Auditinterviews lassen sich sehr gut aus der Ferne durchführen. Hier bieten sich teilweise sogar Vorteile gegenüber dem Vor-Ort Besuch, beispielsweise bei der Einbeziehung weitere Gesprächspartner an anderen Orten.“

Bei der Dokumentenprüfung bleibt laut Spielau alles wie gehabt: „Die vorab eingereichten Unterlagen sollte der Auditor natürlich wie bisher auch schon vorab und remote machen. Das Besprechen der Ergebnisse und gegebenenfalls die Einsicht in weitere Dokumente ist aber eben auch remote möglich.“

Herausforderungen sieht er allerdings hinsichtlich der Tätigkeiten am Prozess, am Produkt und in den Räumlichkeiten außerhalb des Besprechungsraums: „Hier sind die realen Möglichkeiten meist noch sehr begrenzt und die Bedenken aufgrund technischer Herausforderungen noch am größten.“ Er denkt an den Einsatz von Tablets, Virtual-Reality-Brillen, Drohnen oder sogar Avataren gehen. „Dieses Feld wird sich in Zukunft erst entwickeln“, so der Auditor.

Auch Frank Graichen, Leiter des Auditorenmanagements der DQS, geht davon aus, dass dass die Coronavirus-Pandemie nun Bewegung in das Thema Remote Audits gebracht hat: „Es ist anzunehmen, dass die Akzeptanz von Remote Audits inzwischen größer ist und Bedenken abgenommen haben. Als Vorteil könnte hervortreten, dass in einer Zeit, in der Vor-Ort-Besuche vielfach nicht möglich sind, Remote Audits im Sinn einer späteren Aufwandsersparnis jetzt einen Teilbereich der üblichen Audits abdecken und die notwendigen Begehungen zu gegebener Zeit vor Ort nachgeholt werden.“

Apropos Bedenken: Ein sensibler Punkt ist bei Remote Audits laut Spielau die Hoheit über die aufgezeichneten Daten. Generell gelte dabei: Wer die Technik stellt, hat auch die aufgezeichneten Daten. In Präsenz-audits komme of die Frage auf, ob der Auditor Fotos machen darf. „Analog dazu entsteht bei Remote Audits die Frage, ob Ton- und Bildaufzeichnungen angefertigt werden und wenn ja, ob das aufzubewahrende Auditnachweise sind und wann diese zu vernichten sind“, so Spielau. „Eine eindeutige allgemeingültige Antwort darauf scheint es nicht zu geben. Besonders heiß ist das Thema, wenn es um personenbezogene Daten geht. Der Auditor sollte dies vorab regeln – im Auditplan, im Auditprogramm oder durch den Auditauftraggeber.“ ■

Deutsche Akkreditierungsstelle GmbH (DAkkS)
Spittelmarkt 10
10117 Berlin
Tel. +49306705910
www.dakks.de


Die Autorin

Sabine Koll
Redaktion
Quality Engineering


Webhinweis

Welche Voraussetzungen in Unternehmen für Remote Audits vorhanden sein müssen und welche Chancen und Herausforderungen Fernaudits bergen, erklärte Dr. Holger Grieb, Auditor der DQS,
in einem Vortrag im Herbst 2019: http://hier.pro/n8KRf

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