Ein Bündnis aus mehr als 100 Organisationen hat die Bundesregierung dafür kritisiert, dass sich das sogenannte Lieferkettengesetz weiter verzögert. Das Gesetz soll deutsche Unternehmen verpflichten, die Menschenrechte weltweit einzuhalten und für gute Arbeitsbedingungen in ihren Lieferketten zu sorgen. Darüber wird schon lange debattiert. Die Initiative forderte vor allem Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) auf, das Vorhaben nicht weiter zu stören. Altmaier lehne alle Elemente ab, die ein Gesetz erst wirksam machen würden, sagte die Sprecherin der Initiative Lieferkettengesetz, Johanna Kusch. Er wolle das Vorhaben "offensichtlich mit allen Mitteln verhindern".

Die Bundesregierung hatte zuletzt angekündigt, noch im August Eckpunkte für ein Lieferkettengesetz zu verabschieden. Danach solle ein Gesetzentwurf auf den Weg gebracht werden. Nun verzögern sich die Eckpunkte aber mindestens bis September. Die beteiligten Ministerien scheinen uneinig über wichtige Details. Die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer verteidigte das Vorgehen: Gründlichkeit gehe vor Schnelligkeit, sagte sie. Sobald die Abstimmung zwischen den Ministerien abgeschlossen sei, komme das Gesetz ins Kabinett.

Die Vorschläge aus dem Hause Altmaier würden das Lieferkettengesetz zur Farce machen.
Johanna Kusch, Sprecherin der Initiative Lieferkettengesetz

Nach Informationen der Initiative Lieferkettengesetz will das Bundeswirtschaftsministerium gesetzliche Auflagen zur Einhaltung von Menschenrechten nur für Unternehmen ab 5.000 Mitarbeitenden akzeptieren. Zudem lehne das Ressort die Möglichkeit ab, Verstöße zivilrechtlich zu sanktionieren – also beispielsweise durch Haftungs- oder Schadensersatzansprüche von Geschädigten. Das von der SPD geführte Arbeits- und das von der CSU geführte Entwicklungsministerium hatten zuvor eigene Eckpunkte vorgestellt, nach denen das Gesetz ab 500 Mitarbeitenden greifen soll. Auch eine zivilrechtliche Haftung würde demnach eingeführt.

"Die Vorschläge aus dem Hause Altmaier würden das Lieferkettengesetz zur Farce machen", kritisierte Johanna Kusch. Von den mehr als drei Millionen Unternehmen in Deutschland wären damit kaum 250 erfasst. Zudem sei ein Gesetz ohne Sanktionen "wie ein Flugzeug ohne Tragflächen". Der Initiative Lieferkettengesetz gehören unter anderem die christlichen Hilfswerke Brot für die Welt und Misereor, der Deutsche Gewerkschaftsbund, die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, Oxfam und Greenpeace an. 

Eine mögliche Haftung lässt sich nicht ohne großen Schaden für die deutsche Wirtschaft durchsetzen.
Lars Feld, Ökonom und Chef der Wirtschaftsweisen

Der Chef der Wirtschaftsweisen, Lars Feld, warnte hingegen davor, dass die deutschen Unternehmen durch das Gesetz stark belastet würden. "Mit einem Lieferkettengesetz wird die Axt an das bisherige Erfolgsmodell der deutschen Wirtschaft mit stark internationalisierten Wertschöpfungsketten und einer starken Produktion im Ausland gelegt", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Er schaue "mit großem Entsetzen" auf das Vorhaben.

"Wie sollten die Unternehmen sicherstellen, dass die Menschenrechte in den Wertschöpfungsketten in den einzelnen Staaten wirklich eingehalten werden?", fragte Feld. Dies sei eine politische Aufgabe und liege in der Souveränität von Staaten. Feld sagte, er könne nur hoffen, dass Minister Altmaier weiter Widerstand gegen das Gesetz leiste. "Eine mögliche Haftung lässt sich nicht ohne großen Schaden für die deutsche Wirtschaft durchsetzen. Es hilft nichts, wenn dies nur für größere Unternehmen gilt."

Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie, Joachim Lang, erwartet "weitreichende Implikationen für die deutsche Industrie und ihre globalen Lieferketten" durch das Gesetz. Er forderte, dass "heimische Unternehmen im internationalen Wettbewerb nicht benachteiligt" werden dürften. Die deutsche Industrie bringe sich aber konstruktiv in die Debatte um das Gesetz ein.