Nachhaltigkeit und stärkeres Umweltbewusstsein erfahren in der Fertigungsindustrie neue Aufmerksamkeit. Der Übergang von der Linearwirtschaft zu einer Kreislaufwirtschaft spielt dabei eine entscheidende Rolle. Colin Elkins, Vice President Manufacturing bei IFS, stellt drei Trends basierend diesem Modell vor, die die Fertigungsindustrie in diesem Jahr beschäftigen.

Bild: ©Mikhail Mishchenko/www.fotolia.com

Ein Geschäftsmodell das auf der Kreislaufwirtschaft basiert erhöht den Druck auf produzierende Unternehmen, ihre Geschäftsprozesse zu überdenken – nicht nur im Hinblick auf Qualität und Profitabilität, sondern auch beim Energie- und Ressourcenbedarf ihrer Lieferketten sowie der Erzeugung von Abfallstoffen. Klar sei, so Elkins, dass eine nachhaltige Geschäftsstrategie lohnt sich für Hersteller aus finanzieller Sicht. Ein Beispiel ist der niederländische Textilproduzent DyeCoo. Das Unternehmen hat einen Färbeprozess komplett ohne Wasserbedarf entwickelt. Dazu wird ein hochverdichtetes, recyclingfähiges Kohlendioxid eingesetzt. Das Unternehmen kann so bei einem signifikant reduzierten Energiebedarf doppelt so schnell produzieren, ohne dabei Gewässer zu belasten.

Abseits von Prozessen betrifft das neue Nachhaltigkeitsbewusstsein auch die Produktionsstätten selbst. Fabriken werden z.B. um- oder aufgerüstet, um den Bedarf an fossilen Brennstoffen zu minimieren, das anfallende Abfallvolumen zu reduzieren und Emissionen zu senken. Wie etwa der britische Hersteller Macphie of Glenbervie, der mit zwei Windturbinen und einer Biomasse-Anlage seinen Energiebedarf zur Hälfte aus nachhaltigen Quellen decken kann.

Colin Elkins geht davon aus, dass noch mehr Unternehmen diesem Trend folgen und neue Geschäftsprozesse entwickeln, durch die sie Ressourcen schonen und Abfälle auf ein Minimum reduzieren können. Technologieanbieter müssten ihnen dafür Software-Lösungen bereitstellen, die mit dem Modell der Kreislaufwirtschaft kompatibel sind oder diese Prozesse erst ermöglichen.

Produkte überdenken und überarbeiten

Die Etablierung entsprechender Fertigungsstätten sei jedoch nur der Anfang. Ebenso müssten Unternehmen ihre Produkte überdenken und überarbeiten, so Elkins. Dabei gehe es nicht nur um Servitization, sondern vielmehr um die Transformation von linear produzierten Produkten zu kreislauffähigen Gütern.

Fertigungsunternehmen wissen bereits, dass die Adoption eines Servitization-Geschäftsmodells nachhaltige Produkte erfordert, so Elkins. In der linearen Wirtschaft würden Unternehmen Gewinn mit Ersatzteilen und mit klassischen Aftermarket-Services machen. Mit einem Servitization-Geschäftsmodell hingegen würden Unternehmen davon profitieren, wenn ihre Produkte langfristig im Einsatz sind und sie über einen längeren Zeitraum hinweg Dienstleistungen wie Wartung und Reparatur anbieten können.

Reparaturfähigkeit sei daher ein weiteres Schlüsselelement für die Kreislaufwirtschaft, führt Elkins an. Schon heute wird produkterhaltender Service bereits in der Entwicklungsphase eines Produkts eingeplant. Z.B. in einer Laptop-Serie der Marke Dell: Austauschbare Akkus, standardisierte Verschlüsse sowie der Verzicht auf Quecksilber und Kleber machen diese Geräte zu 97 Prozent recycelbar. Daraus ergibt sich ein weiterer Vorteil: Die Unternehmen können die recycelten Materialien kostensparend für die Produktion neuer Geräte nutzen.

Elkins geht davon aus, dass die Aspekte reparaturfreundliches Design, Recyclingfähigkeit und Langlebigkeit in diesem Jahr zu den wichtigsten Entwicklungstreibern in der Fertigungsindustrie zählen. Dabei sollten Unternehmen der Versuchung einer reinen Schaufensterpolitik im Sinne eines ‘Greenwashings‘ widerstehen – ein solcher Versuch würde vom Markt schnell abgestraft.

Remanufacturing wird wachsen

Elkins geht davon aus, dass das Thema Remanufacturing in den kommenden Jahren ein enormes Wachstum verzeichnen wird. Gemeint ist damit die Aufarbeitung gebrauchter Geräte. Dies sei eine wichtige Grundlage für die Kreislaufwirtschaft, schreibt Elkins. Allein in Europa generiert diese Industrie einen Umsatz von 30Mrd.€ und beschäftigt rund 190.000 Menschen. Allerdings liegt der Anteil von wiederaufbereiteten Produkten derzeit gerade einmal bei 1,9 Prozent.

Um dieses Potenzial zu nutzen und von aufgewerteten Erzeugnissen profitieren zu können, müssten Fertigungsunternehmen Service-fokussierte Prozesse etablieren, so Elkins. Denn das Upcycling gebrauchter Güter erfordere ihre Nachverfolgbarkeit. Dazu müssten Informationen verfügbar sein, welches Produkt wann verkauft wurde, welche Komponenten es beinhaltet und worin potenzielle Schwachstellen liegen. Wenn diese Daten vorliegen, könnenUnternehmen einzelne Teile durch recycelte Komponenten auszutauschen.

Beim Thema Remanufacturing spielt Recycling in der Kreislaufwirtschaft eine wichtige Rolle. Im industriellen Umfeld gibt es jedoch Hürden: Die größten Hürden seien die Sortierung und Sammlung von Materialien sowie ein fehlendes System zur Kontrolle rückgeführter Produkte für die Wiederverwertung oder Reparatur, so Elkins. Spezialisierte Unternehmen seien jedoch zunehmend in der Lage, Rohstoffe aus Alt- oder Restbeständen zu gewinnen und wieder in den Materialkreislauf einzuspeisen.

Colin Elkins geht davon aus, dass sich die Fertigungsindustrie über das laufende Jahr hinaus zunehmend damit beschäftigen wird, wie sie ihr neues Bewusstsein für mehr Nachhaltigkeit in die Praxis umsetzen kann. Die Ansätze für eine verbesserte Prozess- und Produktionseffizienz ebenso wie für Recycling und Remanufacturing seien vielfältig, so Elkins. Neben dem positiven Effekt von mehr Umweltschutz hätten sie auch ganz konkrete Geschäftsvorteile – mehr Effizienz, eine verbesserte Unternehmensreputation, höhere Attraktivität für Investoren, stärkere Mitarbeiterbindung und eine größere Resilienz gegenüber neuen, agilen Herausforderern im Markt. Unternehmen, die heute ihre Geschäftsprozesse nach dem Kreislaufprinzip umstellen und in höhere Nachhaltigkeit investieren, können sich so ihre Zukunftsfähigkeit sichern.